Work-Life-Balance als Experiment: Top oder Flop?
Freitag 17 Uhr. Normalerweise würde dies Panik in mir auslösen, nervöses Kribbeln befiele mich und ich würde zu einem ungenießbaren Monster mutieren. Warum? Weil mein Freitagsblog noch nicht existiert, noch nicht einmal Notizen dazu. Aber was wäre das für dein Freitagsblog, wenn er nicht rechtzeitig am Freitag erscheint?
Das sonnige Wochenende ruft, doch ich kann mein Freitagsgefühl nicht auskosten, weil ich es in Blogform pressen muss und die Zeit davon eilt. Doch halt. Heute nicht. Heute genieße ich den Freitag, mein persönliches Freitagsgefühl, spaziere in Seelenruhe durch den lichtdurchfluteten Wald und picknicke mit prickelndem Getränk im Schloßgarten. Wo die Panik hin ist?
Das ist nur eine der Konsequenzen, die ich aus meinem Experiment mitgenommen habe.
Wie ich die Panik verschwinden lassen habe, verrate ich euch heute. Und nein, dieser Beitrag ist nicht akribisch durchgeplant, mehrmals korrekturgelesen und in einem aufwendigen Prozess entstanden. Dafür ist er ehrlich, durch und durch.
Meine Woche als digitale Nomadin
Eine Woche durfte ich nun in das Leben eines „digitalen Nomaden“ schlüpfen. Das sind (verkürzt gesagt) Menschen, die sich überall mehr oder weniger zuhause fühlen und von überall aus arbeiten (können) und das auch tatsächlich tun. Welcher Freelancer träumt nicht davon, mal in der Hängematte chillend zu arbeiten und zwischendurch in den Pool zu hüpfen, einfach weil er es kann?! Im klaren Wasser den Kopf frei kriegen und sich bei wärmenden Sonnenschein an neuen Ideen und positiven Vibes zu berauschen. Doch funktioniert das wirklich oder wirkt die süße Urlaubswelt zu verführerisch?
Manche Menschen können gar nicht anders, sie lieben die Fremde und brauchen kein materialistisches Zuhause voller sentimentalen Schnickschnack um sich herum. Ich hingegen bin schon stolz, wenn ich ohne Schaden den Mietwagen durch die engen Gassen bugsieren kann.
Anfänger auf Abwegen
Als Digital-Nomad-Anfänger wählte ich eine abgeschiedene Finca als Domizil, um jeglicher Ablenkung wie Sonnenuntergang am Meer zu entgehen. Allein der Weg dorthin scheint wie eine Allegorie auf die gesamte Woche:
Nach Autobahn und Kreisverkehrwirrwarr gerate ich auf schmale Wege, die sich immer weiter verengen. Dichtes Buschwerk zerkratzt zu beiden Seiten das Auto, der Weg schlängelt sich bergauf und bergab durch die pechschwarze Nacht. Schlaglöcher? Pff, der Weg wird gleich ganz zur Schotterpiste. Hier und da taucht eine meterhohe Steinmauer dicht neben mir auf, mal zeichnet sich ein Abgrund ab und einmal hüpft ein Minikaninchen in den Scheinwerferkegel. Ehrlich, dass ist die gruseligste und engste Straße, die ich je gefahren bin! Keine Wendemöglichkeiten und kein Ende in Sicht.
Da muss ich durch! Vielleicht hätte ich mir das vorher besser überlegen sollen mit der „abgeschiedenen Finca“. Mit laut aufgedrehtem trashigen Spanisch-Dance-Rap und dem Augen-zu-und-durch-Prinzip erreiche ich mit schlackernden Knien das Ziel.
Durch eine knarrende Holztür werde ich in ein weißgetünchtes Gemäuer geführt und stehe plötzlich in einem Traum von einem Zimmer. Schmiedeeisernes Bett, Holzbalken an der Decke und ein uralter Schrank, in diffuses Licht getaucht. Sofort lasse ich mich fallen und schlafe so tief wie lang nicht mehr.
Urlaub oder Unternehmen?
So fühlte sich in etwa die Experimentwoche an: Ich startete hochmotiviert, nur um sofort festzustellen, dass ich mich festgefahren hatte, noch in Deutschland. Jeder Tag ist dort durchgetaktet, vor lauter Business und Alltag vergisst man sich selbst. Der Druck wird erdrückend und erstickt schließlich jegliche Inspiration, Zuversicht und Leidenschaft. Hier hingegen bewege ich mich im spanischen Rhythmus, achte nicht auf die Zeit, vergesse die Zwänge und die Enge.
Bereits am zweiten Tag erkläre ich mein Experiment als gescheitert. Doch damit hätte ich nie gerechnet: Die Erschöpfung zu akzeptieren ist, wie einen Schalter umzulegen.
Ich tauche ein ins Meer, gluckse vor Freude und Leichtigkeit. Drehe mich, lasse mich treiben, tauche mir die Sorgen von der Seele. Danach lege ich mich mit der nassen Haut direkt auf dem warmen Sand und lasse mich vom Windhauch streicheln. Das Leben ist so viel leichter am Meer!
Völlig losgelöst von Druck und Stress fließen plötzlich meine Ideen, ich strukturiere mein Business neu, entwickle Strategien für Marketing, Zeitmanagement und stelle Fahrpläne für die nächsten Monate auf. Anschließend belohne ich mich mit einem wundervollen Tag in der vibrierenden Stadt Palma. Zufrieden wie lange nicht mehr sehe ich mich satt an einem rosaroten Sonnenuntergang, versacke in einer freshen Loungebar direkt an der Strandpromenade. Ich fühle mich frei und beschwingt und gar nicht einsam.
Zum ersten Mal seit Langem fühle ich das innere Bedürfnis, mich an meinen Rechner zu setzen und zu arbeiten. Ich bearbeite Mails, networke und merke gar nicht, wie die Zeit verrinnt. Wer hätte das gedacht, Arbeiten macht plötzlich wieder Spaß! Meine Hände flitzen nur so über die Tastatur. Zur Belohnung gibt es diesmal das Highlight der gesamten Woche: Ein mehrstündiger Ausritt. Es geht durch duftende Pinienwälder, vorbei an von der Abendsonne vergoldeten Haferfeldern, durch weiche Sanddünen hinein ins türkisfarbene Meer. Die Pferde plantschen vergnügt (ja das geht!) und ich strahle selbst wie ein Honigkuchenpferd.
Gemeinsam geht mehr!
Am letzten Tag fühle ich mich wie eine richtige digitale Nomadin. Ich nehme an einem Meeting in dem luftig leichten Coworking Space Rayaworx in Santanyi teil. Die hellen, freundlichen Räume sprühen nur so vor Inspiration und sogleich fühle ich mich als Teil eines Netzwerkes. Am liebsten würde ich ab sofort genau dorthin meinen Arbeitsplatz verlagern. Auswandern wirkt hier so leicht.
Der Coworking Space wurde vor zwei Jahren von deutschen Auswanderern gegründet. Denn eines ist auf der Insel ein begehrtes Gut: Stabiles W-Lan und Strom! Das Rayaworx bietet noch viel mehr: Hier treffen smarte Köpfe aufeinander, hier fühlt man sich als Teil einer produktiven Gemeinschaft, hier lauern keine urlaubstypischen Ablenkungen. Work hard – play hard – alltime with a smile! Genau das lässt sich hier ausleben.
Wer sich überlegt, die Wintermonate in der Sonne zu verbringen oder das Leben als digitaler Nomade in der Light-Version austesten möchte, dem sei das Rayaworx wärmstens empfohlen. Noch dazu liegt es in einer charmanten alten Stadt aus maurischer Zeit mit lebendigem Markt und gemütlichen Cafés.
Nach fünf Stunden produktiven Netzwerkens will ich nur noch eines: Rein ins Meer. Wie praktisch: Zehn Minuten Autofahrt entfernt liegt ein wunderbar verschlafenes Küstenörtchen mit einer traumhaften Bucht, in der es sich hervorragend schnorcheln lässt… Hier tanke ich meine Energiereserven vollends wieder auf.
Mit Motivation, ehrgeizigen Plänen, den Taschen voller Freitagsgefühl und einem neu struktuiertem Business kehre ich nach Deutschland zurück.
Experiment „Digitales Nomadentum“: Top oder Flop?
Mein Fazit?
In dieser Woche lernte ich, mich nicht vor kurvenreichen Holperpisten zu fürchten. Ich lernte, die richtige Parklücke für mich zu finden und beim komplizierten Manöver nicht die Geduld zu verlieren. Und ich entdeckte die Freude am Brettern durch die Landschaft.
Das Autofahren wurde für mich wahrlich zur Metapher für mein (Business-)Leben.
Ich hänge an meinem Zuhause und lasse mich zu gerne ablenken von der Schönheit der Welt. Im Leben warten so viele (herausfordernde) spannende Abenteuer und lebenswerte Menschen darauf, erlebt zu werden. Solche Erlebnisse möchte ich niemals verpassen, weil ich am Laptop klebe. Wenn die Batterien leer sind, lässt sich nicht mehr konzentriert abarbeiten – egal, ob am Meer oder in der stickigen Großstadt.
Doch eine wichtige Lektion habe ich gelernt: Work-Life-Balance ist vielleicht ein überstrapazierter Begriff – und wird vielleicht gerade dadurch unterschätzt. Wer als Freelancer langfristig erfolgreich sein möchte, der muss auf sich selbst acht geben. Der darf sich nicht verlieren in all dem Druck von außen wie von innen. Der muss sich immer wieder neu erfinden – sich und sein Business. Ziele setzen, Fahrpläne entwickeln und Strategien umsetzen. Und an sich selbst und seine Träume glauben!
Und genau darum bahnt sich in mir trotz drohender Deadline keine Panik an: Denn wie kann ich euch vom Freitagsgefühl abgeben, wenn ich selbst nicht danach lebe?! Es muss nicht alles perfekt sein. Sei stolz auf das, was du geschafft und geschaffen hast. Mache Babysteps, statt dir Siebenmeilenstiefel überzustreifen, die dir nicht passen und dich zum Stolpern bringen. Glaube an dich und gönne dir immer wieder Auszeiten. Kleine wie Große.
Ein herzliches Dankeschön
geht an die wundervolle Sylvia von Mindful Mallorca, die mich für eine Woche Teil ihres liebevollen Zuhauses werden ließ! Wer selbst Lust bekommen hat, sich eine Auszeit zu nehmen oder sich als digitaler Nomade ausprobieren möchte, dem sei diese Unterkunft wärmstens ans Herz gelegt. Buchbar hier bei AirBnB.